Test Keilwerth EX-90 Series II Tenorsaxophon
(Aus SOLO 2/99)

Das Tenorsaxophon EX-90 Series II von Julius Keilwerth ist zwar nicht gerade brandneu (die Premiere liegt bereits fünf Jahre zurück), doch zum alten Eisen soll es nach dem Willen der Nauheimer noch lange nicht gehören. 1994 (siehe SOLO 1/94) testete ich bereits das Altosaxophon aus dieser Serie und war besonders vom warmen und vollen Klang des Instruments angetan. Ob sich das für das Alto erfolgreiche EX-90-Konzept ohne weiteres auf das Tenor übertragen läßt und ob es in diesen fünf Jahren noch irgendwelche Veränderungen gegeben hat, will die folgende Abhandlung herausfinden. Die EX-90-Serie liegt preislich ziemlich genau in der Mitte zwischen dem Schülermodell ST 90 und der Profilinie SX-90. Mit knapp 4.000,- DM (in Euro würde es natürlich freundlicher aussehen) bewegt man sich dabei in Preisregionen, in denen anderen Herstellern bereits mit ihren Topmodellen die Puste ausgeht. Kein Wunder also, dass die Produktbeschreibung die fortgeschrittenen Schüler und Studenten als favorisierte Zielgruppe ins Auge fasst.

[tiefer.gif]TÜV

[tiefer.gif]Testfahrt

[tiefer.gif]Brummi

[tiefer.gif]Sonderausstattung

[tiefer.gif]Fazit

[tiefer.gif]Empfohlener Verkaufspreis

[tiefer.gif]Statement
   

TÜV

Seinerzeit musste ich beim EX-90 Alto noch verunglückte Lötarbeiten an meinem Testobjekt beklagen. Fünf Jahre und wahrscheinlich Tausende zufriedener Kunden später kann ich mich über derlei Unbill nicht mehr beschweren. Lötzinn sieht man aber nur noch, wenn man ganz nahe mit der Lupe und dem entsprechenden Gesichtsausdruck an das Gestänge herangeht. Die optische Präsenz des Horns ist durch die unspektakuläre Goldlackierung (gibt's aber auch in Schwarz vernickelt) und das Fehlen jeglicher Gimmicks eher unauffällig. Im Detail erkennt man dann die wahren Werte, die bekanntlich tiefer liegen, nämlich gute und saubere Justierung der Mechanik, sauber verklebten Kork und gut angepasste Filze. Auch die Federn aus rostfreiem Stahl machen einen hervorragenden Eindruck, ebenso wie die mit Metallresonatoren ausgestatteten Lederpolster. Ein Probespielen ohne Ton bestätigt den guten ersten Eindruck: Die Mechanik läuft weitgehend geräuschlos - ohne Scheppern, lautes Ploppen oder unangenehme Rückschlaggeräusche. Hier wurde wahrlich gute Arbeit geleistet.

Testfahrt

Als ich mir das erste Mal das EX-90 Tenorsax an den Trageriemen hängte, dachte ich: "Sapperlot, hängt das tief!" Tatsächlich muß der Trageriemen sehr lang ausgefahren werden, bis man die optimale Einstellung hinbekommt. Ein näheres Hinschauen und der Längenvergleich vmit meinem Selmer Mk-6 förderten dann ein überraschendes Ergebnis zutage: Die Hauptröhre ist beim Keilwerth erheblich länger als beim Selmer. Natürlich muss dieser Überschuss dann beim Trichterteil wieder eingespart werden, sonst würde ein neuer Saxophontyp kreiert. Diese Proportionsveränderung hat sicherlich gravierenden Einfluss auf den Sound - aber auch auf die gewohnte Handhabung. Der metallene Daumenhaken für die rechte Hand ist zwar recht komfortabel und lässt sich in fast alle Richtungen einstellen; da er aber aus eben genannten Gründen sehr tief sitzt, bekommt man eine rundum befriedigende Daumenposition nur mit Mühe hin. Erwähnenswert erscheint mir an dieser Stelle noch ein besonders wohl die Textilindustrie berührenden Umstand: Die scharfe Kante des Klappenschutzes des Tones Dis fährt beim Spielen des öfteren unwillkürlich auf einer Linie, an der gewöhnlich kurze Hosen beginnen (oder enden - je nach Perspektive), über meine Jeans. Nun könnte man sagen: "So kommt man regelmäßig und ohne Aufwand zu einer kurzen Hose." Ich aber frage: "Wo sind die Sommer, die eine derartige Anhäufung kurzer Hosen rechtfertigen würden?" Da heisst es dann: Schleifpapier zücken oder Lederaufsatz auf die Lieblingsjeans. Dennoch wende ich mich wieder den wahren Testeraufgaben zu und fahre einige läufe in Höchstgeschwindigkeit über den Testparcours. Dabei kommt ungetrübte Freude auf: Sehr gute Performance bei den tiefen Tönen läßt das sonst übliche "Tieftonlotto" zu einer sicheren Angelegenheit werden, die Gis-Klappe hat einen optimalen Abstand zum G-Taster, und die Seitenzapfen für die hohen Töne geben zu ergonomischen Kritteleien keinen Anlaß. Einzig dem Dis' hätte ich einen etwas tieferen Hebel (in Richtung Korpus) gewünscht. Insgesamt überzeugt die Homogenität des Bewegungsablaufs auf voller Linie. Besonders begeistert bin ich von dem unglaublich guten Trennungsverhalten der Töne bei schnellen Passagen. Hier lassen sich Doubletime-Phrasen dreschen, dass dem Fahrlehrer nur noch der Tritt auf die Bremse bleibt.  

Brummi

Ich habe mich ja schon in diversen SOLO-Ausgaben als bekennender Fan des Keilwerth-Sounds geoutet. Und deshalb werden regelmäßige und langjährige SOLO-Leser nicht überrascht sein, wenn auch hier wieder eine Eloge über den warmen und sehr vollen Klang des EX-90 II angestimmt wird. Mit diesem Grundklang lassen sich individuelle Soundvorstellungen zwar sicherlich noch in die eine oder andere Richtung verändern, doch dürfte die Keilwerth-Charakteristik, diese gewisse Erdigkeit, immer das bestimmende Merkmal des Sounds bleiben. Hervorzuheben sind auch die bruchlosen Übergänge zwischen den Lagen, die keine Veränderungen des Grundklangs vernehmen lassen. Geht man dann in die Extreme, so hören sich die tiefen Töne immer noch mehr nach einem volltönenden Sechszylinder als nach einem PS-schwachen Mittelklassemodell an. Oberhalb des Normalumfangs, wo andere mit nervtötendem Zweitaktgeknatter agieren, bleibt das EX-90 II ganz gemütlich in der Soundspur. So soll es sein. Im Beschleunigungstest, sprich Ansprechverhalten, werden für das EX-90 II generell gute Werte erreicht. In allen Lagen geht es beherzt mit einem leichten, mir persönlich sehr angenehmen Widerstand zur Sache. Im Test des Altos von '94 gab es ja noch leichte Einschränkungen wegen der Ansprache der Top Tones. Das Tenor jedenfalls bietet hier alles, was das Top-Tonisten-Herz begehrt: mit geringster Ansatzveränderung in endlose Höhen sich schrauben. Zu all diesen unglaublich guten Testergebnissen kommt noch der Umstand, dass auch im Bereich Stimmung von meiner Seite keine Rüge zu erteilen ist. Das Testobjekt hat allenfalls mit den üblichen saxophonistischen Stimmungsproblemen zu kämpfen - nicht mehr und auch nicht weniger.

Sonderausstattung

Wie oft habe ich in meinem Testerleben nun schon mit der Ausstattung gehadert, Koffer verflucht und Putztücher veralbert. Und nun dieser Koffer. Ein Traum! Ausreichen groß, mit Reißverschluß statt mit dubiosen Schließmechanismen, als Rucksack verwendbar, mit großer Notentasche, und gegen einen kleinen Aufpreis lässt sich sogar noch eine der beiden erhältlichen Zubehörtaschen an diesem Koffer befestigen. In diesen passen dann noch kleinere Zweitinstrumente, Notenständer, Verpflegung, Getränke, Reiseutensilien, Kuscheltier usw. Das Teil nennt sich "Saxmover" - und damit ist alles gesagt. In diesem Wunderkoffer warten dann noch ein sehr komfortabler und - wichtg - ausreichend langer Trageriemen sowie Durchziehwischer, Blättchen und Mundstück auf ihre Erweckung. Übrigens jetzt ohne angespitzte Blattschrauben.

Fazit

Die angestrebte Zielgruppe der fortgeschrittenen Schülerschaft kann beim EX-90 II bedenkenlos zugreifen. Hier wird ein sehr solide gearbeitetes Saxophon mit hervorragender Mechanik und einem überragenden Sound zu einem fairen Preis unter die Leute gebracht. Gerade, wer noch auf der Suche nach seinem Sound oder seinem Horn, Mundstück oder Blatt ist, sollte unbedingt einmal probespielen. Auch Professionals, die die fünf Riesen für das Flaggschiff SX-90 scheuen, könnten mit dem EX-90 II vielleicht eine sehr gute Alternative finden.

Robert Kretzschmar

 

Empfohlener Verkaufspreis

Keilwerth EX-90 II Tenorsaxophon in Goldlack: 2252,- Euro

Statement

Andreas Gafke von der Firma Julius Keilwerth meint: "Der Test unterstreicht unser Bestreben, auch im mittleren Preissegment ein Instrument mit gutem Preis-/Leistungsverhältnis anzubieten. Das Problem mit der scharfen Kante an einem Klappenschutz wurde von uns bereits erkannt und behoben, so dass es auch hier keinen Grund zur Beanstandung mehr geben dürfte."

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